Dienstag, 2. September 2008
Am Ufer des Sees (by Adele)
Wenn du achtzig wirst
gibt es viele Gründe
zum Feiern.
Nicht allein
daß du es geschafft hast
acht Jahrzehnte
zu lernen
zu leben
zu lieben
zu sorgen.
Nein, du hast auch
gelernt, zu leben
zu lieben
und zu sorgen.
Am Ufer des Sees
empfindest du
acht Jahrzehnte
in einem
langsam
wechselnden Turnus.


Und jeder Abschnitt
öffnet dir
das Tor
zu ganz besonderen
Erlebnissen:


Mit zehn
ja, da bist du
im Schwimmen
endlich ganz sicher.
Du springst in den See
tauchst unter
und wenn du wieder auftauchst
bist du mindestens 100 Meter weiter.
Du bist
für deine Freunde ein großer Held
und rettest
vielleicht sogar später einmal
ein Menschenleben.


Mit zwanzig
wenn deine
körperlichen Kräfte
gewachsen sind
bist du sicher
ein Meister
im Schwimmen, Surfen und Tauchen
zugleich.
Du wagst dich sogar
bei erheblichem Sturm
zum Surfen auf den See.
Möglicherweise
nimmst du an einer
Olympiade teil.
Du hast
ständig
nur mit dir selber
zu tun.
Die Natur aber
mit all den Tieren
und Pflanzen
den herrlichen Sonnenaufgang am Morgen
und den Untergang
des glutroten Sonnenballs
am Abend
nimmst du kaum wahr.


In der Schule
lernst du zwar
wie ein Regenbogen entsteht
wie er aussieht
welche Farben er beinhaltet
und vielleicht sogar
wie lange er am Himmel
zu sehen ist
aber gesehen
richtig g e s e h e n
hast du ihn
in diesem Abschnitt
wohl nie.


mit dreißig Jahren
hast du wahrscheinlich
ein Kind
legst deine eigene Karriere
etwas beiseite
und mußt
höllisch aufpassen
daß dein Kind
nichts versäumt.
Du gehst mit ihm
zum Schwimmen, Tauchen und Surfen
und kannst nicht umhin
seine Leistungen
mit deinen
zu vergleichen.
Wie schade
daß ihr euch
nicht
auch einmal
ein kleines Boot mietet
und damit langsam
über den See rudert!


Mit vierzig hast du
sportlich gesehen
eine flauere Zeit.
Da geht es noch einmal
beruflich ganz hart voran.


Und wenn du fünfzig wirst
genießt du schon
ein wenig
die Früchte deiner Bemühungen.
Außerdem hast du
sicherlich
schon ein Enkelkind.
Und an freien Tagen
fährst du mit ihm hinaus
und zeigst, was du
noch alles leistest.
warum mietest du
denn nicht wenigstens
jetzt dieses Ruderboot?


Schließlich wirst du sechzig.
Ja, und von da an
ist gar keine Zeit mehr.
Du wirst bald
in Rente gehen
oder auch in Pension.
Mußt noch rasch
den Nachfolger einarbeiten.
Erhoffst ganz zum Schluß
noch die
langersehnte Beförderung.
Und all die großen reisen
die doch noch gemacht werden müssen!
Kuba, Jamaica, die Malediven.
Das Haus ist bezahlt
jetzt ist das notwendige Geld
vorhanden.
Du fährst also
immer noch nicht
gemütlich über deinen
heimischen See
entlang dem malerischen Ufer
auf deiner Seite
und dem Ufer
der anderen Seite
das noch nicht erkundet
worden ist.


Und bald bist du schon siebzig.
Damit du nicht
untätig sein mußt
gründest du blitzschnell
mit gleichaltrigen Paaren
einen Kegelclub.
Das sichert dir
wenigstens zwei Tage
pro Woche
Kurzweil, Gemütlichkeit.
Holler-boller alle Neune...
Was, alle Neune nicht?
Nie?
Du tüftelst ein System aus
das dir Garantien bringen soll.
Aber immer noch
sind deine Leistungen
irgendwie dürftig.
Unbefriedigend.
Könnte es nicht auch
an der Zusammenstellung
der Paare im Verein liegen?
Oder sonst aber ganz bestimmt
an der Reihenfolge
der Kegler.
Gott sei Dank
nimmst du ja auch noch
an Schach- und Skatturnieren teil!


So vergehen die Jahre
bis du
a c h t z i g
wirst.
ja, und erst jetzt
kommst du auf die Idee
das Ufer auf der heimatlichen Seeseite
zu erforschen.
Dein Radius
hat sich
ein wenig verkleinert
und du bist nicht mehr
so sehr
auf Trubel aus.
Du siehst
den langjährigen Partner
an Deiner Seite
wieder näherrücken
und erlebst mit ihm
die hinreißende Natur
und endlich jetzt die k l e i n e n
Ereignisse
direkt
vor der eigenen Tür.
Ein paar Schritte nur
und ein Schauspiel
an Blumen und Schmetterlingen
Düften und Gedanken
wird nur
für Euch beide
wahr.
Genießt doch die Jahre
die Ihr beide
in der Jugendzeit
nicht hattet
auf eine ganz neue
eine ganz, ganz leise Art.


Und wenn Ihr
dann einmal wieder
auf einer Bank sitzt
und eine kleine Vogelfeder
schwebt leichtfüßig an Euch vorbei
so greift nicht nach ihr.
Schaut ihr bewundernd nach
denn
irgendwo sitzt doch immer
noch jemand
der sich auch an
diesem Anblick erfreuen möchte.

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